Dieter Borchhardt, Polyesterbeton als Material für Plastiken

 

Anlässlich des „Plastik Kolloquiums `79“ in Magdeburg vom 4. bis 5. Dezember 1979 trafen sich namhafte Künstler, Kulturverantwortliche und Kunstwissenschaftler aus dem In- und Ausland (Ungarn, Polen) und berichteten über aktuelle Sachverhalte ihrer Arbeit. Darunter auch Dieter Borchhardt, der unter dem Titel „Arbeit in Polyesterharzbeton“ seine Erfahrungen beim Einsatz des Materials vortrug. Nachfolgend ist das Protokoll vollständig wiedergegeben:

„Arbeit in Polyesterharzbeton

Wir sind in einer glücklichen und zugleich unglücklichen Situation. Glücklich, weil unsere Arbeiten gebraucht werden, unglücklich darum, weil die Kapazität unserer Gießereien nicht in dem Maße gewachsen ist, wie es nötig wäre. Aus diesem Grunde versucht jeder von uns, mit dieser Situation fertig zu werden……
Beton ist ein Material, das wieder an Bedeutung gewonnen hat. Da die Qualität nicht so gut ist, habe ich mit Polyesterbeton zu arbeiten versucht.
Zum Begriff: Bei Beton denkt man an Kies und Zement, also an einen Kunststein, der mit Zement und Wasser gebunden ist. Das ist hier nicht der Fall, Wasser und Zement sind durch Polyesterharz ersetzt. Polyesterharz wird hier nicht als reines Material, sondern nur als Bindemittel benutzt. Es entsteht dabei ein Kunststein, der eine sehr hohe Festigkeit besitzt, der praktisch Hartgesteincharakter trägt. Man kann ihn polieren, man kann die Masse wie Gips verarbeiten, die Härtezeiten sind variierbar.
Ein sehr großer Vorteil ist, dass das Harz sehr billig ist. Ich  brauche für eine lebensgroße Plastik 7 kg Harz. 1 kg kostet 3 Mark, mit allen Nebenkosten beträgt der Materialwert dieser Arbeit ca. 50,-Mark.
Der Begriff „Polyesterbeton“ ist vielleicht irreführend, weil man an den üblichen Beton denkt, vielleicht könnte man Polyesterkunststein sagen.
Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich?
Wir können statt einer Plastik fast zwei Plastiken herstellen, wegen des geringen Preises.
Mit diesem Material besteht für jeden Kollegen die Möglichkeit, Kleinplastiken selbst zu vervielfältigen. Man kann auch die Form daraus herstellen. Für farbige Plastiken ist das Material ebenfalls sehr geeignet.
Wer die Hallenser Ausstellung gesehen hat, kennt die farbige Arbeit vom Kollegen Göbel. Er hat hier reines Polyesterharz verarbeitet und eingefärbt. Mit Polyesterkunststein kann man genau so verfahren. Man kann die Masse einfärben oder auch die Farbe auftragen. Der große Vorteil des neuen Materials besteht darin, dass ich eine Plastik vom Anfang bis Ende allein ausführen kann. Die Endqualität bestimme ich, nicht der Ziseleur.
Zum Materialcharakter:
Polyesterharz ist ein Chamäleon, ich kann alles damit machen, was ich will, auch jede Imitation. Der Materialcharakter ist demonstriert worden vom Kollegen Bonk und anderen. In Budapest haben wir Beispiele gesehen. Hier ist das ganz anders. Es handelt sich um einen Kunststein, dessen Charakter vom Zuschlagstoff abhängt. Da ist zuerst die höhere Festigkeit. Polyesterbeton ist etwa sechs- bis achtmal härter als normaler Beton. …. Das Gewicht beträgt bei einer lebensgroßen Figur etwa einen Zentner. Sie ist hohl, hat etwa 1 cm Wandstärke..
Wenn ich Polyesterbeton mit Bronze vergleiche, so ergeben sich im Prinzip dieselben technischen Möglichkeiten. Ich erreiche eine ähnliche Festigkeit durch entsprechende Armierungen, einmal mit Glasfasergewebe oder durch Drahtgeflecht, Gaze oder Rundstahl. Damit kann ich die Sache so stabil machen, wie das immer notwendig ist. Ich kann auch Gasrohre einarbeiten.
Zu den Füllmassen:
Für die hier gezeigte Arbeit habe ich reinen Sand genommen und Schlämmkreide, im Verhältnis 13:5 (Raumteile). Die Schlämmkreide ist nötig, um die Poren zwischen den Sandkörnern zu schließen. Andere mögliche Materialien sind: Koalin, Quarzmehl, Schamotte, Gesteinsmehle. Ich habe auch mit Gips und totem Zement gearbeitet. Es ist alles möglich, was nicht mit dem Harz chemisch reagiert. Der Füllstoff bestimmt die spätere Festigkeit und die Konsistenz bei der Verarbeitung.
Zur Witterungsbeständigkeit:
Das ist ein Punkt, der noch nicht erforscht ist. Es gibt seit etwa 20 Jahren Polyesterharz. Polyesterbeton wird noch nicht sehr lange verwendet. Kollege Rätsch war vielleicht der erste, der mit dem Material gearbeitet hat. Er hat seit zehn Jahren eine Figur im Freien zu stehen, die bisher unverändert ist. Polyester wird für Dachabdeckungen und solche Dinge verarbeitet, die überwiegend draußen sind, z.B. für Sportboote. Ich nehme an, dass Polyesterbeton länger hält. Wasser und Frost schaden dem Material nicht. Es ist die ultraviolette Strahlung, die das Harz angreift.
Feuerfestigkeit
Das rein verarbeitete Harz ist sehr leicht brennbar.Eine Streichholzflamme genügt zum Entzünden.
Die von mir hier verwandte Mischung brennt nicht von alleine. Sie ist nur durch fremdes Feuer zu zerstören.
Arbeitsvoraussetzungen
Man braucht einen geheizten Raum. 17 bis 22 Grad Raumtemperatur sind nötig. Die Lüftung muß gewährleistet sein, und man sollte die Haut schützen. Anfangs habe ich mit Gummihandschuhen gearbeitet. Das erweist sich mit der Zeit als nicht notwendig. Man muß nur aufpassen, dass man wenig mit der Masse in Berührung kommt.
Zur technischen Ausführung
Es kann eine „Verlorene Form“ oder eine Keilform benutzt werden. Sie muß aus zwei oder mehreren Teilen bestehen, die später zusammengedrückt werden.
Sie muß völlig ausgetrocknet sein, da die Masse sonst nicht aushärten würde. Die Isolierung erfolgt durch zweimaliges Einpinseln mit Polyvinylalkohol (Schellack kann versucht werden). Danach mit farblosen Bohnerwachs einstreichen.
Das Anrühren der Masse erfolgt folgendermaßen:
1.    Das Harz mit 3% Härter versetzen. Gut durchrühren!
2.    3% Beschleuniger zusetzen.
3.    Die Füllmasse auf das Harz geben und vermischen.
Alle Komponenten müssen genau abgewogen werden!
Harz und Füllstoff (Sand/Kreide) werden im Verhältnis 1 : 6,5 gemischt.
Die Masse wird mit einem polierten Stahllöffel (Suppenlöffel) portionsweise von der tiefsten Stelle aus in die Form gedrückt (6-8mm stark).
Nach dem Erhärten wird eine passend zugeschnittene Glasfasermatte (Maschendraht oder Gaze sind auch möglich) oder einzelne Streifen aufgelegt und mit Harz getränkt. Darauf wird noch eine Betonschicht von einigen Millimetern aufgetragen.
Steil hochstehende Wände müssen mt Stäben abgestützt werden. Nach dem Erhärten der Masse werden alle Kanten mit Betonmasse bestrichen und die Formteile zusammengequetscht.
Die Nähte können anfangs mit einem Messer, später mit einem Widiaeisen entfernt werden. Wenn nötig, kann noch Masse aufgetragen werden, wie bei einem Gipsmodell.
Um die hellen Werkzeugspuren zu beseitigen, wird am besten die ganze Figur mit verdünntem Harz überstrichen. Als Verdünnung habe ich PUR-Lack-Verdünner benutzt,
Bezugsquellen
Das Harz ist bewirtschaftet. Man muß darum bei dem jeweils zuständigen Rat des Kreises, Abteilung ÖVW, ein Kontingent beantragen. Ich beziehe es von einem befreundeten Industrieformgestalter, der es in großen Mengen verarbeitet.
Mein Jahresbedarf beträgt 40 – 50 kg.
Für anfängliche Versuche sollte man sich aus einem Bastelladen Hobbyplast besorgen. Das ist Polyesterharz, in dem der Beschleuniger schon enthalten ist. Der Packung liegt eine genaue Verarbeitungsanleitung bei.
Größere Mengen Harz bis 200 kg, einschließlich Härter und Beschleuniger, bekommt man beim VEB Chemiehandel Erfurt, Hohenwindenstr. 14 (Kontingent erforderlich!), Polyvenylalkohol 55/02 bei VEB ChemischeWerke Buna (4212 Schkopau), Glasfasergewebe in Bastlerläden. Die für uns brauchbaren Harztypen sind AS 2333 und AS 2324.
Mein Vorschlag: Der Versandhandel für Künstlerbedarf in Leipzig sollte den Versand aller notwendigen Stoffe übernehmen. Das Harz könnte in 5-kg-Kanistern geliefert werden.
Das Ausdrücken einer Form und die weitere Bearbeitung sind natürlich mit erheblichem handwerklichem Aufwand verbunden. Für eine lebensgroße Figur braucht man etwa 4 Wochen Arbeitszeit. Wenn nötig, kann man einzelne Teile einer Figur gesondert abformen und später mit der Betonmasse ankleben. Die Klebeflächen müssen vorher mit dem Harz eingepinselt werden.
Als Reinigungsmittel für Hände und Werkzeug sind „Fay“ oder PUR-Lack-Verdünner geeignet.


Zwischenfrage: Wenn die Formteile zum Herausnehmen sind, sind sie stabil ehärtet oder besteht eine Elastizität? Zu welcher Zeit setzt man zusammen?
Antwort: An einer kleinen Plastik, die ich Nachmittags ausdrücke, kann ich am nächsten Tag weiter arbeiten und die Formteile auseinandernehmen, nach 12 Stunden etwa, je nachdem, wie viel Härter und Beschleuniger ich untermische. Ich kann so viel hineintun, dass die Masse in Minuten hart wird oder dass das Erhärten 24 Stunden oder nochlänger dauert.
Frage: Wie ist es bei unterschiedlichen Schichtstärken, gibt es da Spannungsrisse?
Antwort: Nein! Harz schrumpft um 7%. Wenn ich die Mischung richtig herstelle, ist die Möglichkeit zum Schrumpfen sehr minimal, ein klein wenig verziehen sich größere Stücke. Das muß später ausgeglichen werden.
Frage: Wie sieht es mit den Luftwegen aus?
Antwort: Der Kollege Bonk hat darüber beim letzten Kolloquium gesprochen. Mir persönlich macht die Sache nichts aus. Man sollte aber den Raum belüften und am besten Durchzug schaffen. Vorgeschrieben ist, dass die Luft in einer Stunde zehnmal ausgetauscht werden soll. Dies gilt für industrielle Verarbeitung, wenn man 8 Stunden pro Tag arbeitet. Für den, der das ein- oder zweimal im Jahr macht, da sehe ich keine Gefahr.
Zwischenruf: In Schweden ist die Verarbeitung verboten!
Es gibt Vorschriften. Vorschriften für Leute, die mit Kunstharz arbeiten, das darf nicht jeder machen, man darf das nur kurzfristig betreiben.
Antwort: Man kann natürlich mit einer Atemmaske arbeiten, dann ist jedes Risiko ausgeschlossen.“
Quelle: Plastik Kolloquium ´79, Beiträge zur sozialistisch-realistischen Plastik der DDR, Traditionen Maßstäbe Tendenzen, Magdeburg 4.-5.Dezember 1979, Seite 69 ff.


Anmerkung:
•    In einem Gespräch mit dem Dieter Borchhardt 2017 berichtete dieser, dass der Einsatz des Materials „Polyesterbeton“ durchaus finanzielle Vorteile für den Künstler besaß. Aufträge wurden in der Regel mit einem Vertrag und einem Gesamtpreis fixiert. Weil bei Bronzen ca. die Hälfte des Erlöses für den Guss erforderlich wurde, konnte die Leistung des Künstlers nur aus der 2. Hälfte honoriert werden. Der Einsatz von „Polyesterharzbeton“ verschob den Erlös erheblich zu Gunsten der bildhauerischen Leistung.
•    Wie die Geschichte heute (2018) zeigt, ist das Material Polyesterbetom durch viele zerstörte Plastiken nicht nachhaltig und der Bronze weit überlegen.

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